Blick auf Vancouver mit scheebedeckten Bergen im Hintergrund

Wir haben uns für ein Working Holiday-Visum beworben, dies auch erhalten und beschlossen, nach Vancouver zu gehen. Das Visum gibt uns die Möglichkeit, ein paar Monate lang in Kanada zu arbeiten und unsere Reisekasse aufzupeppen. Wir sind am 06.07.2012 in Vancouver angekommen und durften die ersten Tage auf einer Couch bei einem sehr netten deutsch-kanadischen Paar unterkommen. Nach zwei Monaten ziehen wir ein Fazit.

Heute sind wir genau zwei Monate in Vancouver. Und die Zeit verging rasend schnell!

Wir hatten das Glück, durch meinen Grundschulklassenkameraden und ehemaligen Mitbewohner und Kommilitonen Andi, eine Adresse in Vancouver zu bekommen, wo wir die ersten Nächte schlafen konnten. Bertine, die Bekannte von Andi und ihr Freund Kahlil stellten sich als wunderbare Couchsurfing-Hosts heraus.

Aber von Beginn an: Nach unserer Ankunft am Busterminal mussten wir erst einmal Geld beschaffen. Wir versuchten es mit dem Automaten in der Ankunftshalle. Dieser war allerdings ein Visa-Automat und wir konnten mit unseren EC-Karten kein Geld bekommen.

Wir nahmen nicht an, dass die Geldbeschaffung ein Problem sei und wackelten mit unseren Rucksäcken ein paar hundert Meter weiter in eine Bank. Doch auch dort sollten wir kein Geld bekommen. Denn diese Automaten nahmen nur kanadische Kreditkarten an.

Somit beschlossen wir, einen Weg von rund 2 Kilometern zu Fuß auf uns zu nehmen und die nächste Bank zu finden. Leider unterschätzten wir den Weg, der leicht bergauf ging, mit unseren Rucksäcken auf dem Rücken. Aber wir hatten Glück: wir trafen auf einen Mann, der uns zur nächsten Bank begleitete und eine Dame, die uns sogar anbot, uns zu fahren.

Nachdem wir endlich Geld hatten, gingen wir zu Service Canada, dem kanadischen Arbeitsamt hier, und beantragten unsere Sozialversicherungsnummer. Als dies erledigt war, fuhren wir zu Bertine und hatten einen sehr schönen Empfang. Wir gingen abends zu Freunden von ihr und ihrem Freund und grillten in deren Garten. Lustigerweise trafen wir dort zwei Deutsche, die in Freiburg studierten.

Am nächsten Tag legten wir los: Unsere Prioritäten waren 1. ein Apartment zu finden, 2. einen Job zu ergattern und 3. ein Fahrrad zu kaufen. Wir waren von morgens bis abends unterwegs und fielen einfach nur noch auf die Couch, um zu schlafen. Wir liefen täglich viele Kilometer, da wir wegen der Kosten nicht immer den Bus benutzen wollten.

Die Wohnungssuche

Und wir schauten uns alle möglichen Zimmer an. Das erste lag im schönen und strandnahen In-Viertel Kitsilano. Es war bei einer Dame, die auf den ersten Blick wie eine Edel-Prostituierte aussah. In der ganzen Wohnung waren teuer aussehende Skulpturen aufgestellt und es sah aus, als dürfte man nichts anfassen, weil man es sonst irgendwie entweihen würde. Es stellte sich dann heraus, dass sie zwei Hunde hatte und für eine Person 800 Dollar für das kleine Zimmer haben wollte, für zwei allerdings 1200.

Als nächstes sahen wir uns eine Wohnung an, die wir alleine für uns hätten haben können. Es war eine Ein-Zimmer-Wohnung. Der Mann, der sie uns vorstellte, erklärte uns alles und es machte einen ganz guten Eindruck, auch die Kosten waren in Ordnung. Plötzlich kam allerdings heraus, dass er nicht der Vermieter war, sondern ein Freund der Mieterin, die wegen einer Erkrankung in ihrer Familie für drei Monate nach China reisen müsste. Ihr wäre es außerdem recht, wenn wir Miete und Kaution komplett im Voraus bezahlen würden. Warum die Mieterin nicht anwesend war, war unklar. Er sagte, sie spräche nicht so gut Englisch und darum habe er sich bereit erklärt, sie zu unterstützen. Wir fragten, ob sie nicht die Leute sehen wollen würde, die ihre Wohnung mieten würden? Er verschwand kurz aus der Wohnung und auf einmal stand die Mieterin im Zimmer. Wir fanden dies sehr merkwürdig und erklärten, dass wir auf keinen Fall die Miete für den kompletten Zeitraum im Voraus bezahlen würden. Sie und ihr Freund ließen sich darauf ein, aber wir entschieden uns im Endeffekt gegen die Wohnung, da ich die ganze Aktion sehr komisch fand und nicht in eine Wohnung mit einem komischen Bauchgefühl hätte ziehen wollen.

Wir machten noch weitere Besichtigungstouren und ein Highlight im negativen Sinne war sicherlich die „Crackhöhle“. Wir kamen zum abgesprochenen Zeitpunkt an und konnten keine Klingel am Haus finden. Somit riefen wir beim Vermieter an und sagten, wir seien hier. Nach über 10 Minuten kam er aus dem Haus. Er war vielleicht 18 oder 19 Jahre alt und ließ uns ins Haus. Nachdem er eine Weile nach dem Schlüssel des Zimmers suchte, machte ich ihn darauf aufmerksam, dass der Schlüssel steckte. Er machte die Tür einen Spalt weit auf und sagte, dass wir nicht hinein könnten, da zwei Personen im Bett lägen. Daraufhin lachte er sich eine Weile schier tot. Ich fand es gar nicht witzig und hatte eigentlich die Faxen schon dicke, nachdem es so lange gedauert hatte, bis er aus dem Haus kam. Ich fragte ihn, ob er einen anderen Raum hätte, der ähnlich aussehen würde, den wir sehen könnten. Und dann nahm die Besichtigung ihren eigentlichen Höhepunkt in Angriff: Wir gingen in den unteren Teil des Hauses. Am Tisch saßen ein absolut abgerockter Kerl, der aussah, als wäre er auf Crack und ein Typ, der wie sein Dealer aussah. Im Zimmer des einen sah ich einen fetten schwarzbraunen Rottweiler hocken … So schnell, wie ich aus dem Haus raus war und gesagt hatte „Sorry, das ist nix für uns“, kam Michi mir gar nicht hinterher. An der Bushaltestelle angekommen sahen wir dann, wie gerade ein Drogendealer vor einem Vergnügungspark für Kinder von der Polizei verhaftet wurde. Wir wussten ab jetzt: in dieser Gegend Vancouvers werden wir SICHERLICH NICHT WOHNEN.

Schließlich fanden wir dann ein Haus, in das wir ab dem 1. August einziehen konnten. Es ist eine Haus-WG, in dem insgesamt 11 Leute – darunter Vermieterfamilie mit Kind leben.

Michi und ich haben ein richtig großes Zimmer mit eigenem riesigen Bad inklusive Badewanne mit Massagedüsen.

Den Zeitraum bis dahin mussten wir noch überbrücken und spontan fanden wir, nachdem wir dem Vermieter des Hauses zugesagt hatten, ein Zimmer in einer WG am anderen Ende der Stadt, in das wir für zweieinhalb Wochen einziehen konnten. Mit uns wohnten, ein Iraner, der eigentlich ganz nett war, aber außer „How are you“ und „Awesome“ nicht viel mit uns redete und der 18-jährige Bruder der Vermieterin aus Venezuela mit seiner Freundin aus Guatemala, die wir auch recht selten sahen.

Außer einmal: Ich hörte nachts etwas klopfen und hämmern und schaute aus dem Fenster. Doch es war nichts zu sehen. Michi sagte, ich würde spinnen und solle weiterschlafen. Doch ich schaute nochmals aus dem Fenster und sah einen Mann mit einer Axt unter dem Arm vom Grundstück laufen. Michi, bekleidet nur in Boxershorts, schoss nach unten zur Haustür. Ich direkt im Gefolge hinterher. Es wummerte ohne Ende und er öffnete die Tür. Vor uns standen fünf oder sechs Feuerwehrmänner!

Sie erklärten uns, dass es gebrannt hätte, unsere Nachbarn den Brand gemeldet hatten und sie soeben das Feuer gelöscht hätten. Wir waren total von den Socken und konnten alles nicht verstehen. Als wir am Hinterausgang standen sahen wir die Verwüstung. Zwischen Abfallresten und verkohlten Stellen fand sich weißer Schaum.

Auf einmal trabten auch unsere beiden Mitbewohner in die Szene. Wir erklärten, was vorgefallen war. Die erste Frage der Feuerwehrmänner war, ob jemand rauche. Michi sagte, dass er rauche, aber immer nur außerhalb des Grundstücks auf der Straße. Sie sagten, dass nun ein Mann käme, der die Ursache des Feuers herausfinden wolle und so lange müssten wir abwarten. Im Garten standen insgesamt 10 Feuerwehrmänner und schauten uns an. Wir hatten nun natürlich Angst, dass jemand Michi unterstellen würde, er hätte eine Kippe in den Müll geworfen, der dort, wo das Feuer entstanden war, lagerte.

Der „Investigator“ kam und untersuchte alles. Doch er konnte nichts finden. Wir waren erleichtert und rätselten weiter, wie dieses Feuer mitten in der Nacht hatte entstehen können. Es stellte sich auch heraus, dass wir ein Wahnsinns-Glück hatten hatten, dass die Nachbarn das Feuer entdeckten. Denn, wie üblich in Kanada, ist das ganze Haus aus Holz.

Nachdem die Feuerwehrmänner abgezogen waren, saßen wir noch lange zusammen in der Küche und überlegten, was das Feuer wohl ausgelöst hätte. Ob es Leute waren, die nachts auf das Grundstück kamen und Feuer gelegt hätten? Aber warum? Schließlich gingen wir ins Bett und Michi teilte mir seine Vermutung mit: Um 24 Uhr hatten der 18-jährige und seine Freundin noch gekocht. Wir haben uns noch etwas geärgert, weil wohl etwas angebrannt war und unser ganzes Zimmer nach angebranntem Fleisch roch. Als er vorher aufgetaucht war, sagte er noch, er habe nichts bemerkt, als er um kurz nach 24 Uhr den Müll hinausstellte. Und da dämmerte es uns: wir vermuten, dass die beiden, die gekocht hatten, das verbrannte Fleisch, Fett etc. in die Plastikmülltüte geschüttet haben und nach draußen stellten. Dies ergab dann einen Schmorbrand und ein paar Stunden später brannte es.

Wir waren jedenfalls froh, dass alles so glimpflich abgelaufen war und schliefen weiter.

Ein paar Tage später hörte ich wieder Geräusche, außerdem bellte der Nachbarshund und ich hörte etwas, dass sich wie das Tickern von Fahrradrädern anhörte. Ich dachte noch: hoffentlich klaut niemand unsere neu erworbenen Fahrräder! Ich schaute aus dem Fenster, sah nichts und schlief weiter. Zwei Tage später stellte sich heraus, dass tatsächlich Diebe im Haus gewesen waren. Sie haben die Tür der unteren Wohnung des Hauses aufgebrochen und die nagelneue Waschmaschine sowie den Trockner geklaut. Zwei Tage vor dem Einbruch waren die Mieter ausgezogen und die Wohnung stand leer. Ich schwor mir: beim nächsten Mal, sollte ich irgendetwas hören, werde ich genauer nachsehen, was vor sich ging. Die letzte Nacht in unserer „Übergangswohnung“ stand ich dann fünf Mal auf, weil ich dachte, ich hätte irgendetwas Eigenartiges gehört. Allerdings war diesmal nichts gewesen …

Die Jobsuche

Wir fingen bereits in den USA an, uns auf Jobs zu bewerben. Im Internet gibt es, wie bei uns in Deutschland, einige Seiten, auf denen sich alle möglichen Jobangebote befinden. Jedoch mussten wir erst einmal unsere Anschreiben und Lebensläufe dem nordamerikanischen Markt anpassen. Dies ist gar nicht so einfach, denn man sollte schon genau wissen, wie es läuft.

Die Kanadier versuchen generell zu „entdiskriminieren“. Somit darf kein Foto beigelegt werden und Geschlecht, Nationalität und Altersangaben werden nicht gemacht. Natürlich gibt es auch bestimmte Floskeln, die man benutzt und somit gingen wir oft in Büchereien und suchten in Büchern nach Beispielen.

Als wir unsere Versionen fertiggestellt hatten, schickten wir sie an verschiedene potenzielle Arbeitgeber. Dies taten wir auch, nachdem wir in Vancouver angekommen waren. Dabei ist es üblich, dass die Unternehmen sich grundsätzlich nicht bei den Bewerbern melden, außer, sie haben Interesse. Wir fanden dies ziemlich befremdlich, aber es ist hier eben so üblich. Unter manchen Anzeigen steht sogar, dass man sich mit einem Anruf zum Job automatisch disqualifizieren würde??!!?!

Leider erhielten wir wenig positive Resonanz. Allerdings nahm ich an einem Webinar von Expedia Cruise Ships teil. Es stellte sich allerdings heraus, dass das Konzept auf eine Selbstständigkeit aufgebaut war. Um starten zu können, sollte man sich von Expedia ausbilden lassen – selbstverständlich gegen Kostenbeteiligung. Das kam dann eher nicht für mich in Frage und ich suchte weiter.

Michi und ich entschieden, unsere Lebensläufe auszudrucken und persönlich bei verschiedenen kleineren Arbeitgebern, wie Kneipen und Geschäften abzugeben. So suchten wir uns eine Straße und gingen diese einmal auf und ab. Nachdem wir wieder unten an der Kreuzung angekommen waren, läutete unser Handy. Ein Laden, bei dem ich meinen Lebenslauf abgegeben hatte, rief an. Ich solle in zwei Tagen zum Vorstellungsgespräch kommen.

Dort ging ich auch hin. Das Gespräch mit der Managerin lief sehr gut, sie holte dann noch den Eigentümer, der sich ebenfalls mit mir unterhielt. Am Tisch nebenan saßen ein paar Gäste, die sagten: „Du hast den Job!“ Nachdem die Managerin dann wieder kam, teilte sie mir mit, dass ich am nächsten Tag zum Probearbeiten kommen könne im MEINHARDT.

Dort ging ich auch hin und verbrachte drei Tage mit Training. Der Laden ist ein Feinkostladen und ich arbeite an der Kasse. Die Straße in der sich der Laden befindet ist ziemlich belebt und somit ist der Laden auch sehr busy. Neben dem kassieren, man muss übrigens den ganzen Tag stehen und darf offiziell nichts trinken, da dies die Kunden nicht gern sehen würden, wird in Nordamerika außerdem erwartet, dass die Kassenleute den Käufern die Tüten packen. Ebenso bringen die Kunden ihren Einkaufskorb nicht zurück, sondern geben ihn den Kassierern, die alle Körbe dann von Zeit zu Zeit an den Eingang stellen. Manche lassen ihren Einkaufswagen auch direkt vor dem Tresen stehen und gehen, ohne ihn zurückzubringen. Die nächsten Kunden müssen den Wagen dann entweder zur Seite schieben oder darum herum laufen. Eigenartig, oder? Das ist bestimmt der schlechte Einfluss der USA 🙂 Des Weiteren muss noch einmal pro Stunde die Eingangstüre geputzt werden, ebenso die Auslage der Delikatessen und Süßspeisen. Die Tische auf dem Gehweg müssen abgeräumt und gesäubert werden und wenn Kunden Blumen kaufen, diese schön verpackt werden. Ich als besondere Bastelhasserin bin darin natürlich ausgesprochene Klasse! Wenn dann noch Zeit ist, sind Keks- und Olivenölproben vorzubereiten und die Produkte in den Regalen schön anzuordnen. Das tue ich nun also seit acht Wochen vier Tage die Woche zu etwas über Mindestlohn.

Übrigens habe ich eine persönliche Liste aufgestellt, was die Kanadier am meisten kaufen:

  1. Bananen
  2. Nektarinen
  3. Koreander
  4. Grünkohl

Michi startete seine Karriere im „La Terrazza“ als Tellerwäscher. Er gab seine Bewerbung ab und erhielt sofort den Zuschlag. Er solle am nächsten Tag zur Einarbeitung kommen. Das machte er auch. Er machte alles, was von ihm verlangt wurde, spülte Teller, Töpfe und Besteck vor, tat alles in die Spülmaschine und räumte alles wieder auf. Am Abend sagte der Chefkoch, er könne am nächsten Tag wieder kommen.

Das tat er auch. Er freute sich, auch etwas gefunden zu haben und erreichte am nächsten Tag das „La Terrazza“. Der Manager des italienischen Edelrestaurants kam auf ihn zu und sagte, dass es ihm leid tue, er am Vortag nicht anwesend war, aber dass sie jemand anderes gefunden hätten und Michi nicht mehr zu kommen brauche. Eine Internetrecherche am nächsten Tag ergab, dass das Restaurant wieder eine Anzeige zum Tellerwäscher aufgegeben hatte …

Danach startete er allerdings richtig durch: Er ging zu einem VW-Händler und fragte, ob sie jemanden brauchten. Man sagte, man bräuchte einen Verkäufer und einen Lot Attendant. Verkäufer wollte er auf keinen Fall sein und somit erhielt er den Job als Lot Attendant. Das bedeutet, er parkt Neu- und Gebrauchtwagen von einem Lagerparkplatz zum Parkplatz vor dem VW-Gebäude um, wenn Kunden ein Auto erwerben.

Allerdings ist dieser Job nur für die Wochenenden und somit musste er noch einen Job für unter der Woche finden. Er sah eine Anzeige im Internet bei einer Möbelpackerfirma. Wir fuhren gemeinsam mit dem Fahrrad in die Nachbarstadt Richmond und er stellte sich vor. Zuerst wurde er von seinem zukünftigen Chef zurechtgestutzt: Warum er hier wäre? In der Anzeige im Internet stand, dass man ab 11 Uhr für Vorstellungsgespräche vorbeikommen könne. Ach ja? Er müsse mal denjenigen sprechen, der das online gestellt hätte. Er hätte jetzt keine Zeit. Bevor Michi wieder abzuckelte, ließ er ihm allerdings noch seinen Lebenslauf da und sagte, er sei verfügbar.

Ein paar Tage später rief der Chef an, der sich noch als Choleriker herausstellen sollte, und Michi hatte seinen ersten Tag als Möbelpacker. In einer Messi-Wohnung mit zig Katzen, die überall ihre Hinterlassenschaften hinterlassen hatten. Am zweiten Tag zog er ein Büro in einer Universität um und sein dritter Umzug war der einer betuchten Familie in ein anderes Haus.

Eines Morgens um sieben Uhr klingelte das Telefon, Michi und ich schliefen noch. Sein Cholerikerchef fragte, ob Michi sich einen Namen in der Firma machen wolle. Er hätte heute einen Job und Michi könne mit von der Partie sein. Michi war noch ganz verschlafen und sagte, er dachte, der nächste Umzug für ihn sei erst am Tag darauf. Von der anderen Seite der Leitung kam nur ein „Dann vergiss es!“ und ein tuten des Telefons …

Und schon wieder kam ein neues Angebot hereingeflattert … Michi hatte sich unter anderem auf einen Job als Übersetzer beworben. Die Firma schickte ihm jetzt ein paar Texte zur Probeübersetzung und gab ihm drei Tage Zeit. Michi schickte die übersetzten Texte zurück und erhielt prompt Antwort. Die Texte seien die besten Übersetzungen gewesen, die er seit langer Zeit gesehen hatte, meinte der Anrufer und bestellte Michi zum Vorstellungsgespräch. Dieses verlief erfolgreich und somit ist Michi nun von Montag bis Freitag als Übersetzer und am Wochenende bei VW tätig.

Als er seinen ersten Arbeitstag hatte, rief noch ein Cafe an, bei dem er sich als Barista beworben hatte. Da er nun keine Ressourcen mehr frei hatte, musste er diesen Job allerdings sofort absagen …

Der Fahrradkauf

In Vancouver wird viel Fahrrad gefahren. Es gibt auf den Straßen Fahrradspuren und sogar Fahrradstraßen, die verkehrsberuhigt sind. Der öffentliche Verkehr funktioniert zwar wunderbar und mit einem Ticket kann man eineinhalb Stunden lang in jede Richtung fahren, die man möchte, aber es ist mit 2 Euro pro Strecke natürlich teurer als Fahrradfahren.

Allerdings gibt es hier die Helmpflicht und Fahrräder sind hier, wie so ziemlich alles, recht teuer.

Somit entschieden wir uns, auf die Suche nach einem günstigen, gebrauchten Rad zu gehen. Wir versuchten private Anzeigen und auch Fahrradhändler. Jedoch kostete ein Fahrrad ohne Gepäckträger, Fahrradständer und Schutzbleche – also eigentlich nur das pure Rad – gerne einmal über 80 Euro. Rechnet man dann noch Helm, Bleche und Licht hinzu, landet man bei gut über 100 Euro für ein gebrauchtes, altes Fahrrad!

Wir waren schon fast verzweifelt, denn auch in den Gebrauchtradläden gab es nur überteuerte und teilweise richtig schrottige Räder. Doch eines Tages liefen wir an einem leeren Schaufenster vorbei und sahen zwei Fahrräder und andere Dinge darin zum Verkauf angeboten. Wir machten mit dem Verkäufer einen Termin aus. Dieser stellte sich als ca. 60-jähriger Ungare heraus, der seit über 40 Jahren in Vancouver lebte und ein Handwerksgeschäft führte. Beide Räder hatten Schutzbleche, meines sogar ein Rücklicht. Er verkaufte sie uns zu einem guten Preis und wir freuten uns, dass wir endlich mobil sein konnten.

Die folgenden Tage und Wochen verbrachten wir oft bei blendendem Wetter Draußen und unternahmen mehrstündige Radtouren am Meer entlang und durch die Stadt.

Die Stadt

Vancouver ist eine wirklich tolle Stadt, das schöne Wetter spielte diesem Eindruck natürlich zu. Seit unserer Einreise hat es vielleicht an vier Tagen etwas geregnet, ansonsten herrschten immer wunderbarer Sonnenschein und super angenehme Temperaturen.

Einen Tag besuchten wir Granville Island. Ein kleiner Bezirk südlich der Innenstadt, auf dem es viele Künstler gibt, die Kunsthandwerk verkaufen, außerdem eine rege Theaterszene und die Markthalle, in der täglich frisches Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch und richtiges Brot, Brötchen Croissants etc. verkauft werden. Außerdem kann man von dort aus Kanutouren unternehmen oder mit Mini-Fähren, auf die nur vier Personen passen, auf die andere Seite der Stadt hinüberschippern.

Ein anderes Highlight ist der Stanley-Park. Er ist flächenmäßig größer als der Central Park in New York und beinhaltet einige Strände, ein großes Waldstück, kleine Seen und befindet sich direkt am Anschluss an die Innenstadt. Es gibt dort Totempfähle zu sehen, die von den Nachfahren der sogenannten First Nations erstellt wurden. Michi und ich machten eine Radtour durch den Park und entdeckten einen entzückenden Teich der übervoll mit Seerosen war.

Die Universität UBC ist eine kleine Stadt für sich. Der Bereich ist riesig, es gibt sogar einen eigenen Strand dort, der direkt am Pazifik liegt. Die UBC ist eine der besten Universitäten und hat ein paar nette Gebäude und ein Museum für Anthropologie.

In der Art Gallery gibt es aktuell eine Ausstellung zu Matisse, die sehr schön ist. Dienstags abends ist der Eintritt gegen Spende, ansonsten recht teuer.

Der Kanadaplatz wurde erst vor ein paar Jahren erstellt. Dort legen die großen Kreuzfahrtschiffe an, bevor sie nach Alaska aufbrechen. Außerdem kann man den vielen Wasserflugzeugen beim Starten und Landen zusehen und hat einen schönen Blick auf Nord-Vancouver und die direkt dahinterliegenden Berge.

Außerdem ist immer etwas los in Vancouver. Es gibt sehr viele Festivals und kulturelle Veranstaltungen, wie zum Beispiel das Folk Festival. Es fand in einem Park am Strand statt und man konnte sich abends an den Strand setzen und den Klängen der Festivalmusik lauschen, was sehr, sehr schön war.

Ebenfalls fanden Zelebrationen des Lichts statt. Verschiedene Nationen versuchten sich im Feuerwerkschießen zu überbieten. Michi und ich fuhren abends in die Stadt und ergatterten einen Platz an einem super kleinen Strand, direkt am Wasser und sahen den bunten Lichtern zu, wie sie den dunklen Himmel erleuchteten.

Wir tranken hier in Vancouver das erste Mal Bubble Tea, ein asiatisches In-Getränk, das aus Tee mit Geleekugeln besteht, und aßen das erste Mal Sushi (ich natürlich vegetarisch). Außerdem habe ich eine kleine Kneipe entdeckt, das Kino-Cafe, in dem regelmäßig Flamencoaufführungen stattfinden.

Eine Sache, die wir noch nirgendwo bisher gesehen hatten ist Busfahren. Bzw. das Aussteigen nach dem Busfahren. Denn es ist üblich, sich beim Busfahrer zu bedanken, bevor man aussteigt. Das wird schon kleinen Kindern beigebracht. So sagen sie im Chor, wenn sie zu mehreren aussteigen: “Thank you bus driver”. Ist das nicht nett?

Unser Fazit

Wir haben hier einen wunderschönen Sommer verlebt und sind gespannt, was jetzt noch kommt. Zumindest haben wir beschlossen noch eine Weile hier zu bleiben …

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