Tokio

Rund 12 Millionen Menschen leben in Japans Hauptstadt. Fast die Hälfte davon passiert täglich das Drehkreuz Shinjuku. Ein riesiger Bahnhof, von dem aus Züge aus allen Richtungen Tokio erreichen und die Massen in die Stadt spülen.

Nachdem wir in unser Kapselhotel eingecheckt sind, gehen wir in die „Electronic City“ Akihabara. Der Stadtteil hat sich der Technikszene verschrieben. Als wir aus der U-Bahnstation kommen werden wir fast erschlagen von all den Lichtern. Leuchtreklamen und Leuten. Alle wuseln über den Gehsteig, kreuzen die Straßen und man muss acht geben, von der Masse an Menschen nicht überrollt zu werden.

Tokio

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Akihabara – das Spieleviertel Tokios

Neben Läden, in denen man Smartphones, Kameras oder Fernsehgeräte kaufen kann, gibt es hier unzählige Spielhallen. Geht man in die Glücksspielhallen (Pachinko) wird man von einer ohrenbetäubenden Lautstärke überrollt. Schier jedes der 500 Geräte, die dicht nebeneinander stehen spielt eine andere Musik ab, man muss sich die Ohren zuhalten, so laut ist es. Andere Spielhallen sind nicht gar so laut, hier kann man sich bei Computerspielen aller Art die Zeit vertreiben. Es gibt Spiele für Kinder, Musik- und Tanzspiele, Kriegsspiele – einfach alles, was man sich vorstellen kann. Eine Ecke ist den Damen vorbehalten. Hier kann man sich als eines seiner Lieblings-Anime-Figuren verkleiden und Fotos von sich machen. Auch Modelfotos können in einer riesigen Box geschossen werden. Ich versuche ein paar Spiele zu verfolgen, doch meist verstehe ich nicht, worum es geht und warum die Person vor dem Spielautomaten, ganz vertieft in ihrer Welt, welche Knöpfe drückt.

TokioJapans andere Seite

Es ist faszinierend, diese ganz andere Welt Japans zu beobachten. Vom Schüler bis zum Anzugträger ist hier jeder zugegen. Es scheint, dass man sich hier trifft oder auch alleine Zerstreuung von dem täglichen Leben sucht. In Akihabara ist ein ganzer Straßenzug voll mit diesen Vergnügungszentren – alle mehrstöckig.

Auch angesagt sind die Merchandise-Kaufhäuser. Hier können Manga- und Animefiguren jeglicher Größe erworben werden. Daneben auch Kleidung – hauptsächlich für Frauen – die sich gern im unschuldig, großäugigen Fantasie-Schulmädchen-Outfit präsentieren. An jeder zweiten Ecke steht auch eine solche „Maid“. Sie laden in die Maid-Cafés ein, in denen sie die Kunden bedienen. Gegen Geld dürfen dann auch Fotos mit ihnen gemacht werden.

Aufgrund mangelnder Japanischkenntnisse verirren wir uns ab und zu in die Manga-Porno-Abteilung der einzelnen Läden. Hier ist allerhand los und wir können uns des Eindrucks nicht verwehren, dass diese Szene eine leicht pädophile Neigung hat. Wir suchen auch die sagenumwobenen „Gebrauchte-Unterwäsche-Automaten“, finden aber keinen. Irgendwo lesen wir, dass dies ein Relikt aus den 80er Jahren ist und die Automaten nicht mehr existieren. Es gab wohl Beschwerden, dass die Gerüche nicht authentisch genug seien …

Tokios Wolkenkratzer und Katzencafés

Tokio hat viele Viertel, jedes scheint seine ganz eigene Art zu haben. So gibt es eines, in dem es „Katzen-Cafés“ gibt. Hier können tierliebe Großstädter einen grünen Tee schlürfen und dabei Katzen und andere Tiere streicheln. Letztens gab es wohl Diskussionen darüber, ob die „Arbeitszeit“ der Tiere schon um 20 Uhr oder erst um 22 Uhr abends zu Ende sein soll.

Überraschend fand ich, dass Tokio viele in die Jahre gekommene Wolkenkratzer hat, ich hatte mir die Stadt insgesamt moderner vorgestellt. Ein eher futuristischer Stadtteil befindet sich in der Umgebung des Rathauses. Hier kann man in weniger als zwei Minuten in den 45. Stock düsen und die Betonwüste von oben anschauen. Hat man Glück und ist das Wetter gut, kann man einen Blick auf den höchsten Berg des Landes, den Fuji, werfen.

Von Odaiba bis nach New York und Paris blicken

Auch der künstlich aufgeschüttete Stadtteil Odaiba ist sehr modern. Von dort hat man besonders abends einen schönen Blick auf die Stadt. Die Regenbogen-Brücke macht ihrem Namen im Dunkeln alle Ehre. Auch steht hier eine Nachbildung der Freiheitsstatue. Steht man an der richtigen Stelle, kann man sie gemeinsam mit dem 333 Meter hohen Tokioter Eiffelturm auf einem Bild verewigen.

TokioIn Odaiba gehen wir in das „One Piece“-Restaurant im Fuji-TV-Tower, einer Animeserie, die Michi mag. Er freut sich wie verrückt, als er die ganzen Figuren im Restaurant sieht und fühlt sich wie in die Serie hineinversetzt.

Gärten und Kaiserpalast inmitten der Großstadt

Neben all der künstlichen Welt gibt es auch eine ganz greifbare: Überall in der Stadt befinden sich gehegte und gepflegte Gärten. Hier kann man verweilen und den Blick über die peinlich genau getrimmten – aber nicht zu perfekt aussehenden  – Büsche und Bäume schweifen lassen. Auch diese Welt ist künstlich so erschaffen, bietet aber dennoch etwas Entspannung vom Wirbel und Trubel der Großstadt. Ich lege mich aufs Gras und genieße den Blick auf den schön angelegten Teich, als mich ganz plötzlich doch wieder etwas ganz Reales einholt. „Autsch! Das piekst.“ Bevor ich es realisiere stehe ich schreiend wieder auf meinen Füßen und versuche die Riesenameise loszuwerden, die in mein Hosenbein gekrabbelt ist. Oder sind es gar mehrere …?

Auch ganz real, aber doch wie aus einer anderen Welt liegt mitten in der Megametropole der Kaiserpalast der kaiserlichen Familie. Zu besichtigen ist er nur auf Anmeldung, doch die Gebäude, die von außen sichtbar sind, erinnern an die Samuraihäuser, die wir schon zuvor des Öfteren gesehen haben.

TokioAirBnB – Jetzt aber richtig

Nach zwei Tagen Kapselhotel ziehen wir in unsere letzte AirBnB-Unterkunft um. Sie ist gar nicht weit vom Kapselhotel entfernt. Und diesmal haben wir einen Glücksgriff gemacht. Waren die anderen Unterkünfte auch schön und die Gastgeber nett, so war es doch eher wie im Hotel. Doch hier in Tokio wohnt die Gastgeberin tatsächlich mit uns im Haus. Zwar vermietet sie insgesamt vier Zimmer, die auch alle belegt sind, aber wir treffen sie jeden Tag und unterhalten uns mit ihr. Über ganz normale Dinge, nicht nur, wie man am besten von A nach B kommt. Das genießen wir, denn Satomi ist sehr nett, spricht sehr gut Englisch und es ist tatsächlich die Erfahrung, nach der wir gesucht haben: In einem japanischen Haushalt zu wohnen und den Alltag mitzubekommen.

Eine ganz andere japanische Erfahrung

Die Gegend ist sehr schön, es gibt viele kleine Läden, Restaurants und Bars. An unserem letzten Abend wollen wir unsere Japanreise ausklingen lassen und mit unserem letzten Geld, ein Abschlussbier trinken gehen. Dabei machen wir eine Erfahrung, die wir auf all unseren Reisen bisher noch nie gemacht haben. Wir gehen in eine der kleinen Bars, die gemütlich aussieht. Sie hat einen Tresen, daran passen vielleicht zehn Personen – ganz typisch. Als wir uns zu den anderen Gästen an den Tresen setzen wollen, sagt der Wirt auf Englisch: „Japanese only.“ Auf seinen Lippen ein leichtes Grinsen. Wir können gar nicht ernst nehmen, was er gesagt hat und gehen weiter. Aber er verschränkt die Arme vor der Brust. Michi fragt ihn, ob er einen Witz macht. Und er sagt: „No. Japanese only.“ Recht verstört gehen wir aus der Bar hinaus und können noch immer nicht ganz glauben, was uns da geschehen ist. Weil wir nicht aussehen wie Japaner, dürfen wir kein Bier in einer gemütlichen Kneipe trinken. Drei Wochen lang haben wir die Japaner als sehr sympathisch und hilfsbereit empfunden, jetzt treffen wir auf die andere, rassistische Seite.

Ziemlich verdattert gehen wir zu einer anderen Bar. Wir trauen uns fast gar nicht, einzutreten. Doch hier ist man Ausländern gegenüber offener. Wir dürfen ein Bier trinken. Unser letztes Geld reicht gerade noch für zwei. Als wir bezahlen wollen, steht neben den Getränken auch noch Tischgebühr auf der Rechnung. Oh, sagen wir, sorry, wir wussten nicht, dass es eine Tischgebühr gibt (stand ja auch nirgendwo) und haben dafür kein Geld mehr. Netterweise erlässt die Besitzerin uns dann diese und wir dürfen gehen, ohne Gläser spülen zu müssen. Dennoch sind wir etwas misstrauisch, da wir noch nie eine Tischgebühr bezahlen mussten, seit wir in Japan waren. Doch als wir wieder zurück in unserer Unterkunft sind, bestätigt uns Satomi, dass dies in Tokio üblich sei.

So geht mit diesen letzten Eindrücken unsere dreiwöchige Reise zuende und wir haben das Gefühl, Japan ein kleines bisschen kennengelernt zu haben mit ein paar seiner unzähligen Facetten.

Nachtrag

Nachdem wir schon wieder zurück in Deutschland sind, erhalten wir eine Mail von Satomi, unserer Gastgeberin. Sie war in der „Japanese only“-Bar und hat den Besitzer zur Rede gestellt. Dieser entschuldigte sich bei ihr und sagte, er habe die ganze Nacht darüber nachgedacht und sich sehr schlecht gefühlt. Denn eigentlich wollte er mit dem Spruch „Japanese only“ nur sagen, dass es nur eine japanische Karte gäbe und ein Englisch spräche. Ob das so war oder nicht, wissen wir nicht, fanden aber toll, dass Satomi der Sache nachgegangen ist. So hat sich immerhin noch eine weitere Dimension zu diesem letzten Eindruck gesellt.

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